Wo waren Sie am 18.07.2004?
Euskirchen - "Fragt mich jemand, wo ich vor zwei Wochen gewesen bin, geht ohne Kalender gar nichts", sagt Dieter Kabatnik. Viele wissen oft nicht einmal, was sie vor drei Tagen zu Mittag gegessen haben. Geht es aber um den 18. Juli 2004, erinnert sich Dieter Kabatnik an etliche Details noch ganz genau. "Und so wie mir wird es in unserem Roten Kreuz vielen Helferinnen und Helfern gehen", sagt er. Bilder habe er zu diesem Tag keine - außer denen, die er in seinem Inneren abgespeichert habe.
Doch was war an diesem 18. Juli 2004, einem Sonntag, so Besonderes? In Euskirchen riss morgens das Heulen der Martinshörner nicht ab. "Und kurz darauf klingelte mein Telefon", so Kabatnik. "Einsatz für die Krisenintervention - schwerer Unfall auf der BAB A1 Richtung Bliesheimer Kreuz - ein vollbesetzter Reisebus mit Jugendlichen aus Dänemark, die von einem Urlaub in Südfrankreich auf dem Weg nach Hause sind, ist von einer Brücke gestürzt."
Das war ein Einsatz nicht nur für das Kriseninterventionsteam, das war ein Einsatz für die gesamte Rettungsdienst-Flotte, Feuerwehr, Polizei, Hilfsorganisationen. Dieter Kabatnik: "Sehr angenehm ist mir in Erinnerung geblieben, dass Bürger fragen kamen, wie sie uns unterstützen könnten." Zwei Däninnen, die in Deutschland leben, kamen aus dem benachbarten Rhein Sieg-Kreis und haben das Rote Kreuz in der Personenauskunftsstelle und bei der Betreuung der Betroffenen sehr unterstützt. Das Rotkreuz-Zentrum befand sich in vielen Bereichen, die heute so geschätzt werden, noch im Improvisationszustand. "Wir hatten doch zehn Wochen vorher gerade mal den ersten Bauabschnitt eingeweiht. Die untere Ebene bestand aus einer riesigen Freifläche mit Stützpfeilern. Aber wenn wir im Roten Kreuz eines gelernt haben, ist es professionell improvisieren", sagt Dieter Kabatnik.
Es gab ein Großaufgebot der Medien vor Ort. Der Dänische Generalkonsul kam, der Regierungspräsident reiste zur Pressekonferenz an - und fuhr danach wieder. Wer zum Beispiel blieb, war der Landrat - Schirmherr des Roten Kreuzes im Kreis Euskirchen. Er blieb bis zum Einsatzende am Montagmorgen und unterstützte, persönlich wie moralisch.
Vergangenes Jahr besuchten die Eltern eines der beim Unfall getöteten Jugendlichen das Rotkreuz-Zentrum und fuhren mit einem Seelsorger zur Einsatzstelle. Viele Erinnerungen wurden wieder wach.
Dieter Kabatnik: "Ich habe in diesem Bericht bewusst auf taktische Details weitestgehend verzichtet. Ich möchte einfach die Erinnerung wach halten. An einen besonderen Einsatz, aber auch daran, dass wir uns bewusst machen, zu welcher Organisation wir gehören und zu was wir fähig sind - wenn wir nur wollen. Vergessen wir (das) nicht!"